Adipositas bei Kindern bereitet Medizinern Kopfzerbrechen

Berlin (pte/30.11.2009/12:20) - Dass die Medizin für extremes Übergewicht noch immer kein Patentrezept hat, gilt auch für Fälle im Kindesalter. Während man weiter nach Möglichkeiten sucht, molekulargenetische Faktoren der Adipositas zu beeinflussen, haben Verhaltenstherapien bei Kindern bisher kaum Forschritte gezeigt. Das berichtet Johannes Hebebrand, Präsident der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie www.dgkjp.de, im pressetext-Interview.

Noch immer "desolat" sei laut Hebebrand die Situation der Behandlung adipöser Kinder. "Es gibt viele Programme wie diätetische Therapien oder Bewegungstherapien, deren langfristige Wirksamkeit jedoch ungewiss ist. Die mit großer Mühe erreichte Gewichtsabnahme von vielleicht fünf Kilo wird nach Ende des Programms meist wieder rückgängig gemacht", so der Psychiater. Nur für Extremfällen bei Jugendlichen ist eine chirurgische Entfernung von Fett reserviert, wobei die Wirkung des Eingriffs noch nicht ausreichend durch Studien abgesichert sei.

Depressionen als Ursache und Folge
Zu Adipositas-Patienten gehören mitunter bereits sechsjährige Kinder. Die Ursachen dafür dürften in gleichem Anteil durch Erbanlagen und die Umwelt bedingt sein, so der Übergewichts-Experte. "Die Gene können rund 50 Prozent eines hohen Body-Mass-Index erklären. Zur Kategorie Umwelt gehören Ernährungsfaktoren wie ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch, fehlende körperliche Aktivität, wozu oft rein sitzende Tätigkeiten führen, sowie zu wenig Schlaf."

Depressionen und psychische Krankheiten können ebenfalls zur übermäßigen Gewichtszunahme beitragen, wobei man Ursache und Wirkung auch austauschen kann. "Fettleibige Kinder werden früh gehänselt und haben überall schlechtere Chancen, was auch die spätere Partner- und Jobsuche betrifft. Kinder mit extremen BMI-Werten leiden als Jugendliche oft an psychischen Störungen", so Hebebrand. Je früher das Lebensalter sei, in dem Fettleibigkeit beginne, desto ernster seien in der Regel die gesellschaftlichen Folgen für Betroffene.

Leben ist mehr als Gewicht
Eltern adipöser Kinder rät Hebebrand, den Kampf gegen das Gewicht in der Eltern-Kind-Beziehung nicht überhand kommen zu lassen. "Diätprogramme dürfen nicht zum zentralen Familienthema werden." Es sei daher für Angehörige wichtig, sich ausreichend über biologische, medizinische und auch psychologische Aspekte von Adipositas zu informieren. Einblick dazu gibt der Kinder- und Jugendpsychiater im Buch "Irrtum Übergewicht", das im Zabert-Sandmann Verlag erschienen ist.